Das Rote Kreuz und die Rocker

Der Sanitätsdienst auf der Soester Allerheiligenkirmes wird seit über fünfzig Jahren von den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern des DRK gestellt. Dieser Dienst ist abwechslungsreich und für das DRK eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Während einer Kirmes in den 1990er-Jahren waren die zuständigen Behörden etwas besorgt. Hatten sich doch zwei Rockergruppen für das Kirmeswochenende in Soest verabredet. Diese waren zudem nicht unbedingt miteinander befreundet. Dieser Umstand spielte für unseren Dienst aber zunächst keine Rolle.

Am Kirmessamstag bekamen wir nachmittags von der Rettungsleitstelle die Meldung, dass es an einer Bierbude am Dom/Ecke Rathaus einen Hilfsbedürftigen gebe. Also machte sich ein Fußtrupp von unserer Wache in der Ressource auf den Weg. Dort angekommen fanden wir eine Person vor, die an dem Getränkestand als zweiter Sieger hervorgegangen war. Neben einer Gangunsicherheit wurde auch eine kleine Kopfplatzwunde festgestellt. Aufgrund der Kleidung des jungen Mannes, vermuteten wir einen gestrauchelten, jungen Rocker. Der hilfebedürftige Kirmesbesucher lag genau am Fuße des Bierstandes am Dom im Kreuzungsbereich Rathausstraße/Domplatz.

Da es am Samstagnachmittag gewöhnlich sehr voll auf der Kirmes ist, hatten wir zunächst mit den gaffenden Kirmesbesuchern zu tun, welche in Zweierreihen das Geschehen mit entsprechend hilfreichen Tipps kommentierten. Plötzlich kam ein groß gewachsener Mann, bekleidet mit Lederkluft und Jeansweste mit großem Vereinsaufnäher ins Spiel. Offensichtlich Mitglied und wohl auch Alphatier einer der beiden Rockergruppen. Er fragte freundlich, ob wir Hilfe benötigen würden. Da der Platz zur Versorgung der verletzten Person sehr begrenzt war, nahmen wir das Angebot gerne an und baten darum, uns etwas Raum zu schaffen.

Gesagt, getan. Eilig wurden einige Vereinsmitglieder aus der Menge herbeigeholt und ruck-zuck hatten wir deutlich mehr Fläche zum Arbeiten. Freundlich, aber bestimmt hatten die „Rocker“ einen ausreichend großen Kreis um uns gebildet. Als den freundlichen Rockern auffiel, dass es sich bei dem Betroffenen um ein Mitglied der anderen Gruppe handelte, wurde dies lapidar mit den Worten kommentiert: „Prima, einer weniger von den andern.“

Die weitere Versorgung lief unproblematisch und konnte dank der Unterstützung der Rocker erfolgreich zu Ende gebracht werden. Zur weiteren Abklärung und Behandlung wurde der Kirmesbesucher in ein Krankenhaus gefahren. Im weiteren Verlauf des Dienstes kam es noch zu zwei Begegnungen mit der Gruppe. Hier wurde mit dem Kommentar „… die sind gut drauf, die Sanis ... “ noch mal für Platz gesorgt. Getreu dem Motto „Taten statt Worte!“ sollten sich die Gaffer ruhig mal ein Beispiel an der Hilfsbereitschaft der „gefürchteten“ Rocker nehmen.

Von: Ansgar Rocholl

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Soester Kirmesgeschichten Teil 4
Soester Kirmesgeschichten Teil 4

Publiziert am:

30.12.23