Spannende Geschichte(n) rund um den verlorenen Patroklusschrein

Um den prächtigen ersten Patroklusschrein ranken sich viele schöne und spannende Geschichten, manches Geheimnis und ungelöste Rätsel. Vieles liegt im Dunkeln. Der beinahe sagenumwobene Schatz ging verloren, vergessen wurde er nie, denn heimatverbundene Soester erzählen oft mit Stolz von diesem prächtigen Hauptwerk der westfälischen Goldschmiedekunst im Mittelalter und dessen auch von Kunsthistorikern betonte besondere Bedeutung für ihre Stadt, oft als „die Ehrenreiche“ gerühmt.

So durfte sich der rührige DomBauVerein St. Patrokli um den Vorsitzenden Frank Seidel (seit vorigen Herbst Leiter des Amtsgerichtes Soest) eines großen Publikumsinteresses gewiss sein, als er anlässlich des Patronatsfestes im Dommuseum in der Turmhalle eine nachempfundene Darstellung des einstigen wertvollen Reliquien-Kastens präsentierte. Die Besucher waren eingeladen, in Gedanken weit in die Soester Vergangenheit zu reisen und sich vorzustellen, wie es vor gut 700 Jahren war, als Meister Siegefridus (nach ihm ist die Straße Sigefridwall benannt) im Auftrag Soester Stiftskanoniker den Schrein in Form einer gotischen Kirche mit steilem Satteldach in mehrjähriger Arbeit fertigte. 

Wie mögen die Gläubigen damals gestaunt haben über die 16 silbergetriebenen Figuren (Maria, Jesus, die zwölf Apostel, Patroklus und Bruno), die das Kleinod schmückten?! So könnte es gewesen sein! Die Statuetten vor einer schlichten Schreinkulisse lassen die Schönheit der kulturhistorisch herausragenden Kostbarkeit aus dem frühen 14. Jahrhundert erahnen, die im Zweiten Weltkrieg in Flammen versank. Bewundernd und tief beeindruckt betrachteten viele Besucher die filigranen Figuren an den Schmal- und Längsseiten – elf davon als wunderbare Nachschöpfungen detailreich, kunstvoll, mit hohem Anspruch, ganz nah an der ursprünglichen Machart von den Bildhauern und Silberschmieden Michael und Christoph Winkelmann (Möhnesee-Brüningsen) geformt, und zwar in der heute weitgehend in Vergessenheit geratenen uralten skulpturalen Technik der feinen Treibarbeit in Silber. Die „Winkelmänner“ widmeten sich in unzähligen Stunden einem Herzensprojekt, im „rein ideellen Tun“, wie sie sagen.

Bei fünf Figuren handelt es sich um Abgüsse von erhaltenen und im Berliner Bode-Museum gehüteten Originalen. Der rührige DomBauVerein St. Patrokli hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu bewahren, zu schützen und zu unterstützen. Das Anliegen, das alle verbindet, die sich angeschlossen haben, lautet, die weit über Soest hinaus bekannte romanische Kirche – ein imposantes Wahrzeichen der Stadt und oft wertschätzend (nicht nur von stolzen Soestern) als Turm Westfalens bezeichnet – zu erhalten. Die Brüder Winkelmann freuen sich über die in diesem engagierten Kreis entwickelte Initiative, die 16 Repliken als komplette Reihe dauerhaft in Soest zu vereinen und sie künftig unter dem Dach des über tausendjährigen Doms zu zeigen, der ja einstmals als Ort der Verehrung des heiligen Patroklus und seiner Reliquien gebaut wurde. Er ist der Schutzpatron der Stadt und passt gut auf sie auf – viele Soester vertrauen darauf und denken dann an eine Begebenheit zum Ende der Fehde 1449, als die alten Soester selbstbewusst und streitbereit ihre Freiheit verteidigten: In festem Glauben an seine Kraft soll der Schrein während der Belagerung durch die feindlichen Truppen des Erzbischofs von Köln um die Stadt getragen worden sein – und die Übermacht trat den Rückzug an. Patroklus, so heißt es, habe den Soestern zum Sieg verholfen.

Heyke Köppelmann

Publiziert am:

29.3.24