Jochen Gottwald – 85 und kein bisschen leise
Jochen Gottwald ist Soester mit Leib und Seele. Gerade ist der begeisterte Musiker, Kameramann, Unterhaltungs-Künstler, Talententdecker und -förderer, Produzent, frühere Bandleader, kreative Kopf, aktiver Privatier, verlässliche Gute-Laune-Bringer, kurzweilige Erzähler, der aus einem unendlichen Fundus (Soester) Geschichten schöpft, 85 Jahre alt geworden – ein Geburtstag voller besonderer Erinnerungen.

Ein Bild aus dem Privatalbum: „Diese kolorierte Foto mit mir wurde in der „Taverne“, Thomästraße, in den 1950er/60er-Jahren aufgenommen“, schreibt Jochen Gottwald dazu. Auch in der Flamingo-Bar in der Niederbergheimer Straße habe er seine Hüften geschwungen.
Foto: Sammlung Jochen Gottwald

Jochen Gottwald, der gerade 85 Jahre alt geworden ist, erinnert sich an goldene Jahre in der Soester Musikszene.
Foto: Heyke Köppelmann

Das „Hans-Joachim-Gottwald-Quartett“ mit Heintje on tour Anfang der 1960er-Jahre.
Foto: Sammlung Jochen Gottwald

„Schön war die Zeit“, meint Jochen Gottwald zu diesem Foto von 1960, das ihn mit Gitarre zeigt. Neben ihm steht der Sänger Horst Franz, der sich durch eine besonders schöne Stimme auszeichnete und gern mit den Liedern von Gerhard Wendler unterhielt, zum Beispiel: „Tanze mit mir in den Morgen…“ Die Musiker in der hinteren Reihe: Saxophonist Werner Jede, V. Rother am Flügel, Siegfried Lübke am Schlagzeug und Walter Busch am Kontrabass.
Foto: Sammlung Jochen Gottwald

„Geben Sie dem Mann am Klavier noch ein Bier…“ – Paul(chen) Kuhn mit Jochen Gottwald.
Foto: Sammlung Gottwald

Jochen Gottwald in den 1970er-Jahren als Stadtgärtner am Steinkammergrab in Hiddingsen. Er hat die Anlage jahrelang gepflegt.
Foto: Sammlung Gottwald

Im Vorfeld des Soester Promikick-Turniers 2010 zugunsten der Soester Aktion „Nachbar in Not“ schrieb Jochen Gottwald ein Tagebuch, das er später veröffentlichte. Er lässt in seinen Beiträgen auch die großen Zeiten zunächst mit dem „Hans-Joachim-Gottwald-Quartett“ und dann mit den „Gottwald-Singers“ Revue passieren.
Foto: Heyke Köppelmann

Erinnerungen an den legendären Hubertussaal in der Ulricherstraße, ebenfalls festgehalten im Tagebuch von 2010.
Foto: Heyke Köppelmann








Jochen Gottwald ist Soester mit Leib und Seele. Gerade ist der begeisterte Musiker, Kameramann, Unterhaltungs-Künstler, Talententdecker und -förderer, Produzent, frühere Bandleader, kreative Kopf, aktiver Privatier, verlässliche Gute-Laune-Bringer, kurzweilige Erzähler, der aus einem unendlichen Fundus (Soester) Geschichten schöpft, 85 Jahre alt geworden – ein Geburtstag voller besonderer Erinnerungen. Die Musik und sein, wie er selber sagt, sonniges Gemüt, öffneten ihm viele Türen und führten zu Freundschaften mit etlichen Promis, darunter so bekannte Namen wie Rudi Carrell, Harald Juhnke, Hans Rosenthal. Bilder zeigen ihn mit Paul Kuhn, Fritz Walter, aber auch mit der Schauspielerin Marie-Luise Marjan, die er einmal mit der ganzen Fernseh-Familie Beimer aus der Lindenstraße nach Soest einlud.
Seinen Geburtstag begeht Jochen Gottwald in Soest, seine alte und wahre Heimat, der er auch beständig die Treue hielt, als es ihn der Liebe wegen nach Hamm verschlagen hatte. Nach dem Tod seiner geliebten Frau Monika – von ihm „meine Moni“ genannt – kehrte er zurück. Er bezog eine, wie er betont, wunderschöne Wohnung in der Wiesenstraße und befindet sich nun wieder mitten im Soester Geschehen. Wo er auch auftaucht, herrscht fröhliche Stimmung. „Ich lache gerne“, schildert er. Gesegnet mit der Gabe, heitere Gelassenheit zu verbreiten, fällt es ihm leicht, auf andere Menschen zuzugehen und sie mit seinem Humor anzustecken.
Eigentlich heißt er Hans-Joachim, doch so spricht ihn kaum jemand an. Geht er durch Soest, heißt es ständig „Hallo, Jochen!“ Kommt er dann mit früheren Wegbegleitern ins Gespräch, glitzern die lebhaften 1960-Jahre, die bewegten 70er-, die bunten 80er-Jahre golden. Was war früher nicht alles im legendären Hubertussaal in der Ulricherstraße (später Modehaus Conen und heute Zwiebels Sudhaus) los! Der Gastwirt Friedrich Bäcker hatte den 1956 eröffneten, modernen, einladenden Veranstaltungsraum nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren in eigener Initiative errichten lassen. Heute würde man von einer angesagten Eventlocation sprechen. Jochen Gottwald wirkte dort als Conférencier und holte dank guter Verbindungen in der Branche umjubelte Stars wie „The Lords“ (mit dem umschwärmten, hübschen Ulli), „The Rattles“ und „The Liverbirds“ nach Soest. Unvergessen die Konzerte mit dem als Goldkelchen gefeierten Kinderstar Heintje, der seinerzeit noch am Anfang seiner Bilderbuch-Karriere stand. Gottwald: „Das war ganz großes Kino.“ Teeanger-Idol Manuela, die mit „Schuld war nur der Bossa Nova“ 1963 einen Spitzenplatz in der Hitparade eroberte, verzauberte die Soester Fans im Hubertussaal mit ihrem Jungmädchen-Charme.
„Gottwald Singers, die Attraktion“, „Gottwald-Singers umjubelt“, „Gottwald-Singers rissen ihr Publikum mit“, „Gottwald-Singers begeisterten“, das sind nur wenige der Schlagzeilen erfolgreicher Zeiten, als die Soester Band in der Besetzung mit Paul Klute, Willi Grundhöfer, Leonhard Schütz, Heijo Buddemeier und Jochen Gottwald vielerorts die Säle füllte, bei Gala-Abenden glänzte, mit der berühmten Mitternachtsshow rauschende Ballnächte bereicherte und unzählige Autogramm-Wünsche erfüllte. Als absolutes Highlight in der Laufbahn nennt Jochen Gottwald die Reise nach Georgien im Jahr 1990. „Gottwald-Singers, die erste deutsche Popgruppe im Kaukasus und am Schwarzen Meer – welche Band kann das schon von sich sagen?“, fragt er. Als Gäste des damals bekanntesten georgischen Musik-Ensembles „Iveria“ lernten die Besucher Land und Leute kennen und traten in ausverkauften großen Theatern auf. Gottwald: „Wir gaben alles und ernteten frenetischen Beifall.“
Doch so interessant und bereichernd es auch ist, sich in der Welt umzusehen, Soest bleibt Soest. Hier ist Jochen Gottwald fest verwurzelt. Gerade einmal sechs Jahre alt war er, als er 1945 als Junge aus dem Riesengebirge mit vielen anderen vertriebenen Schlesiern im O-Lager am Meiningser Weg eine notdürftige Bleibe fand. Das Schicksal hatte ihn in die Börde verschlagen. Dass Soest einmal für ihn zum geliebten Lebensmittelpunkt werden sollte, ahnte er damals noch nicht. Heute blickt er dankbar und gerne zurück ...
Heyke Köppelmann
Publiziert am:
7.6.24