Jochen Gottwald – 85 und kein bisschen leise

Jochen Gottwald ist Soester mit Leib und Seele. Gerade ist der begeisterte Musiker, Kameramann, Unterhaltungs-Künstler, Talententdecker und -förderer, Produzent, frühere Bandleader, kreative Kopf, aktiver Privatier, verlässliche Gute-Laune-Bringer, kurzweilige Erzähler, der aus einem unendlichen Fundus (Soester) Geschichten schöpft, 85 Jahre alt geworden – ein Geburtstag voller besonderer Erinnerungen. Die Musik und sein, wie er selber sagt, sonniges Gemüt, öffneten ihm viele Türen und führten zu Freundschaften mit etlichen Promis, darunter so bekannte Namen wie Rudi Carrell, Harald Juhnke, Hans Rosenthal. Bilder zeigen ihn mit Paul Kuhn, Fritz Walter, aber auch mit der Schauspielerin Marie-Luise Marjan, die er einmal mit der ganzen Fernseh-Familie Beimer aus der Lindenstraße nach Soest einlud.  

Seinen Geburtstag begeht Jochen Gottwald in Soest, seine alte und wahre Heimat, der er auch beständig die Treue hielt, als es ihn der Liebe wegen nach Hamm verschlagen hatte. Nach dem Tod seiner geliebten Frau Monika – von ihm „meine Moni“ genannt – kehrte er zurück. Er bezog eine, wie er betont, wunderschöne Wohnung in der Wiesenstraße und befindet sich nun wieder mitten im Soester Geschehen. Wo er auch auftaucht, herrscht fröhliche Stimmung. „Ich lache gerne“, schildert er. Gesegnet mit der Gabe, heitere Gelassenheit zu verbreiten, fällt es ihm leicht, auf andere Menschen zuzugehen und sie mit seinem Humor anzustecken.

Eigentlich heißt er Hans-Joachim, doch so spricht ihn kaum jemand an. Geht er durch Soest, heißt es ständig „Hallo, Jochen!“ Kommt er dann mit früheren Wegbegleitern ins Gespräch, glitzern die lebhaften 1960-Jahre, die bewegten 70er-, die bunten 80er-Jahre golden. Was war früher nicht alles im legendären Hubertussaal in der Ulricherstraße (später Modehaus Conen und heute Zwiebels Sudhaus) los! Der Gastwirt Friedrich Bäcker hatte den 1956 eröffneten, modernen, einladenden Veranstaltungsraum nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren in eigener Initiative errichten lassen. Heute würde man von einer angesagten Eventlocation sprechen. Jochen Gottwald wirkte dort als Conférencier und holte dank guter Verbindungen in der Branche umjubelte Stars wie „The Lords“ (mit dem umschwärmten, hübschen Ulli), „The Rattles“ und „The Liverbirds“ nach Soest. Unvergessen die Konzerte mit dem als Goldkelchen gefeierten Kinderstar Heintje, der seinerzeit noch am Anfang seiner Bilderbuch-Karriere stand. Gottwald: „Das war ganz großes Kino.“ Teeanger-Idol Manuela, die mit „Schuld war nur der Bossa Nova“ 1963 einen Spitzenplatz in der Hitparade eroberte, verzauberte die Soester Fans im Hubertussaal mit ihrem Jungmädchen-Charme.

„Gottwald Singers, die Attraktion“, „Gottwald-Singers umjubelt“, „Gottwald-Singers rissen ihr Publikum mit“, „Gottwald-Singers begeisterten“, das sind nur wenige der Schlagzeilen erfolgreicher Zeiten, als die Soester Band in der Besetzung mit Paul Klute, Willi Grundhöfer, Leonhard Schütz, Heijo Buddemeier und Jochen Gottwald vielerorts die Säle füllte, bei Gala-Abenden glänzte, mit der berühmten Mitternachtsshow rauschende Ballnächte bereicherte und unzählige Autogramm-Wünsche erfüllte.  Als absolutes Highlight in der Laufbahn nennt Jochen Gottwald die Reise nach Georgien im Jahr 1990. „Gottwald-Singers, die erste deutsche Popgruppe im Kaukasus und am Schwarzen Meer – welche Band kann das schon von sich sagen?“, fragt er. Als Gäste des damals bekanntesten georgischen Musik-Ensembles „Iveria“ lernten die Besucher Land und Leute kennen und traten in ausverkauften großen Theatern auf. Gottwald: „Wir gaben alles und ernteten frenetischen Beifall.“

Doch so interessant und bereichernd es auch ist, sich in der Welt umzusehen, Soest bleibt Soest. Hier ist Jochen Gottwald fest verwurzelt. Gerade einmal sechs Jahre alt war er, als er 1945 als Junge aus dem Riesengebirge mit vielen anderen vertriebenen Schlesiern im O-Lager am Meiningser Weg eine notdürftige Bleibe fand. Das Schicksal hatte ihn in die Börde verschlagen. Dass Soest einmal für ihn zum geliebten Lebensmittelpunkt werden sollte, ahnte er damals noch nicht. Heute blickt er dankbar und gerne zurück ...

Heyke Köppelmann

Publiziert am:

7.6.24