Ganz großes Kino in Soest - Dieter Kalbhen kennt sich aus

Die Lichtburg, immer wieder die Lichtburg. Und natürlich das Universum. Dieter Kalbhen könnte ganze Bücher über diese beiden Soester Lichtspielhäuser schreiben. Lange unterhaltsame Kapitel kämen da zusammen, über die legendäre Lichtburg in der Brüderstraße 1b (heute H & M) und das traditionsreiche Universum im Grandweg 44, das seit siebzig Jahren besteht. Der Soester besitzt zahlreiche Fotos aus den alten Zeiten und versteht es, jedes Bild mit einer unterhaltsamen Geschichte aus dem echten Leben zu verknüpfen. Die Alben, die das Wirken seines 1996 verstorbenen Vaters lebendig halten, hütet er wie einen kostbaren Schatz.

Auf die Frage, warum er sich so gut auskennt, antwortet der Soester Senior mit nur einem Satz: „Ich bin der Sohn von Franz Kalbhen.“ Das sagt alles, denn Dieter Kalbhens Vater spielt in der Soester Kino-Welt als Theaterleiter und Geschäftsführer über Jahrzehnte hinweg eine tragende Rolle. In das neue Universum brachte er seinerzeit seine Erfahrungen aus der Lichtburg ein, wo er weiterhin tätig war und unter anderem die Technik verantwortete. Der 88-jährige Dieter Kalbhen erinnert sich lebhaft, wie gern er als Junge den Vater im Vorführraum besuchte und ihm über die Schulter schaute. Viele Soester denken noch oft an die Winnetou-Abenteuer, die in den 1960er-Jahren in der Lichtburg liefen, und sie haben nie vergessen, wie die junge Schauspielerin Uschi Glas das gebannte Publikum als schöne Apanatschi rührte.

Die Lichtburg mit 630 Plätzen, so weiß der Elektromeister im Ruhestand, öffnete am 10. April 1930 ihre Pforten. Bauherr war – wie auch beim Universum und beim früheren Metropoltheater in der Brüderstraße 7 – Theo Herberhold. Die Premieren-Besucher ließen sich von der Dramatik des Stummfilmes „Die weiße Hölle vom Piz Palü“ fesseln, ein siebenköpfiges Orchester übernahm die musikalische Untermalung. Drei Monate später stand mit „Atlantik“ der erste Tonfilm auf dem Programm. Die Lichtburg gibt es nicht mehr, 1971 schloss sich der Vorhang für immer.

Es waren die goldenen Zeiten der Filmbühnen, als im Frühjahr 1954 das Universum startete. In kaum einem Soester Wohnzimmer stand damals ein Fernsehgerät. Wer sich an leichten Komödien erfreuen, herzergreifende Liebesromanzen erleben wollte oder den Nervenkitzel bei spannenden Abenteuern suchte, ging ins Kino und löste eine Karte, je nach Angebot und Geldbeutel für Sperrsitz, Parkett oder Loge. Die ersten Besucher im modernen Haus im Grandweg begeisterten sich für die Operettenverfilmung „Blume von Hawaii“ mit „blühenden Melodien“, „sonniger Heiterkeit“ und „rassigen Tänzen“. Mancher soll damals den Heimweg beseelt mit den schönsten Liedern des Schwarz-Weiß-Streifens auf den Lippen angetreten haben: „Du traumschöne Perle der Südsee“ oder „Ein Paradies am Meeresstrand“. Dieter Kalbhen nennt einige der herausragenden technischen Merkmale: „CinemaScope-Verfahren, Vier-Kanal-Magnetton, zwölf Meter breite Leinwand.“

Die Glückwünsche für die Familie Herberhold, die den Soestern die schicke Spielstätte mit 700 Sitzen im großen Saal beschert hatte, nahmen kein Ende. Das Universum bereichere das kulturelle Programm, hieß es bei der Eröffnungsfeier mit geladen Gästen. Franz Kalbhen zeigte einen Beitrag, den er während des Baus mit seiner Schmalfilmkamera gedreht hatte. In geschickter Form hatte er die vielen Handgriffe vom ersten Spatenstich an beleuchtet. „Das Universum kam gut an“, schildert Dieter Kalbhen. Das Haus füllte sich. Die Familie wohnte in einer Dienstwohnung quasi gleich neben dem Projektor. Das war praktisch, denn Franz Kalbhen erreichte in wenigen Schritten seinen Arbeitsplatz. Seinen Beruf übte er mit großer Leidenschaft aus. Seinem Sohn gab der ausgebildete Kaufmann den guten Rat, unbedingt die anspruchsvolle Prüfung zum Filmvorführer abzulegen. Dieter Kalbhen lernte intensiv und weiß noch sehr genau, wie hoch die Anforderungen waren, die er mit Bravour meisterte. Natürlich kann er eine Menge über die anderen Soester Kinos erzählen. Viele Soester kennen noch das einstige Burgtheater in der Marktstraße und schwärmen vom Geschmack des berühmten Eiskonfektes. Keine Pause ohne die süße Schleckerei aus dem Bauchladen und dazu der Ohrwurm „Like Ice in the Sunshine“. Im Frühjahr 1997 erloschen nach knapp 60 Jahren im Burgtheater die Lichter. Das ausdauernde „Burgfräulein“ an der Kasse und die aufmerksame Platzanweiserin gehörten der Vergangenheit an. Ein Stück Alt-Soest endete.

Heyke Köppelmann

Publiziert am:

5.7.24