„Bestprüfling“ Nele Dreizehner erste Steinbildhauerin der Soester Dombauhütte

So wie er das sagt, mit dieser inneren Überzeugung, die keinen Widerspruch zu dulden scheint, klingt es fast wie eine Drohung: „Wir sind noch lange nicht am Ende. Im Gegenteil: Jetzt geht es erst richtig los; es geht weiter, immer weiter.“ Jürgen Prigl, Dombaumeister im ständigen Unruhestand, weiß, wovon er spricht. Schließlich kann er auf Jahrzehnte Berufserfahrung auf höchstem Niveau zurückblicken. Acht Lehrlinge hat er in Soest ausgebildet und knapp achtzig Meisterschüler betreut. Daher weiß er nur zu gut, dass Nele Dreizehner mit bestandener Gesellinnenprüfung zur Steinbildhauerin und Steinmetzin zwar ein Bravourstück hingelegt hat, aber nun tunlichst nicht auf die Idee kommen sollte, sich zufrieden zurückzulehnen. „Da geht schon noch einiges mehr“, ermuntert sie ihr Ziehvater mit strengem Blick zu weiteren Taten.

95 von 100 möglichen Punkten und dazu die von der Kreishandwerkerschaft verliehene Auszeichnung „Bestprüfling“ sind Bestätigung für ihre außergewöhnliche Leistung. Doch Prigl wäre nicht Prigl, wenn er sich damit zufriedengeben würde: „Ich strebe immer nach der 1,0.“ Also noch Luft nach oben mit der glatten Zwei im Prüfungszeugnis: „Besser geht immer. Aber zunächst einmal hat sie das hervorragend gemacht. Darauf können wir nun aufbauen“, formuliert er vergleichsweise milde.

Dabei war der Start für Nele Dreizehner, die aus der Soester Partnerstadt Herzberg an der Elster den Weg in die Dombauhütte gefunden hat, alles andere als einfach. Wenige Tage, nachdem sie ihre Ausbildung in Soest begonnen hatte, war ihre Mutter verstorben. Das war ein harter Schlag. Andere hätten in dieser Situation die Ausbildung abgebrochen, hätten aufgegeben. Aber das kam für die gebürtige Brandenburgerin nicht infrage. „Aufgeben war eigentlich nie eine Alternative“, blickt sie heute zurück und räumt ein: „Natürlich gab es Durststrecken. Da war ich manchmal auch ganz schön verzweifelt. Aber die Arbeit mit dem Material Stein macht mir so viel Spaß, dass ich mich immer wieder aufs Neue motivieren konnte.“ Einen großen Anteil daran hat ohne Zweifel auch Jürgen Prigl, der den ersten weiblichen Lehrling der Dombauhütte schließlich trotz seines Ruhestandes persönlich unter seine professionellen Fittiche genommen hat.

Prigls Credo Fördern und Fordern ist bei Nele Dreizehner auf mehr als fruchtbaren Boden gefallen. Mit jedem Hammerschlag auf den Meißel ist sie besser geworden und hat sich kontinuierlich gesteigert: „Das Arbeiten mit dem Stein ist und bleibt eine große Herausforderung“, sieht auch die frischgebackene Steinmetzin sich noch lange nicht am Ziel ihrer Träume. „Entscheidend ist, dass man mit sich und dem Material im Reinen ist. Das schafft man nur, wenn man immer wieder einen großen Willen aufbringt.“

Diesen Willen hat sie auch an ihrem Gesellenstück ausgelebt, was ihr viel Lob und Top-Noten eingebracht hat. Als Nele Dreizehner dann in der illustren Reihe des ausgezeichneten Handwerker-Nachwuchses in der Soester Stadthalle stand und die verdienten Lorbeeren entgegennahm, war das auch für Jürgen Prigl ein wunderbarer Moment: „Das ist mir schon unter die Haut gegangen. Da hatten sich dann all die Mühen und Anstrengungen der letzten Monate gelohnt und da hat mich alten Haudegen ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit und Zufriedenheit erfüllt.“ Dankbar ist auch Nele Dreizehner: „Die Ausbildung hier in Soest war ein absoluter Glückgriff.“ Dies umso mehr, da sie nun mit dem Gesellinnenbrief in der Tasche fest zum Team der Dombauhütte gehört. Prigl: „Wir waren uns sofort einig, dass wir sie übernehmen werden.“ Und welche Ziele hat Nele Dreizehner nun? „Ich will besser und schneller werden. Meine gesamte Arbeit soll einfach noch schöner werden. Ich möchte einfach alles aus mir und dem Stein herausholen.“

Hans-Albert Limbrock

Publiziert am:

28.8.24