75 Jahre Kirmes-Promibummel – als Eckhard Uhlenberg der Queen einen Korb gab

Bei der Allerheiligenkirmes kommen „hohe Tiere“ noch höher hinaus und erkennen, wie lustig es ist, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sogar Minister gerieten bei mehr oder weniger rasanten Karussellfahrten schon ins Rotieren und fanden das richtig gut: „Einsteigen, hinsetzen, die Bügel schließen. Und ab geht die Post, hier, hier, hier...!“ Vor 75 Jahren startete der erste Soester Gästerundgang, der etwas später im Volksmund den Namen Promibummel erhielt und sich seither bei den Beteiligten jedes Jahr großer Beliebtheit erfreut. Wer eine offizielle Einladung der Stadt Soest erhält, sagt eigentlich nur ab, wenn wirklich wichtige, dringliche und unaufschiebbare Termine dazwischenkommen. 

Eckhard Uhlenberg aus Werl, lange Abgeordneter der CDU im nordrhein-westfälischen Landtag, zog vor zwanzig Jahren den Soester Rummel sogar dem Besuch der britischen Monarchin Elisabeth II. vor, die tatsächlich am Kirmes-Donnerstag Düsseldorf besuchte – ein Ereignis, das die Metropole am Rhein kopfstehen ließ. Doch der spätere Minister für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz fuhr lieber nach Soest, um dem Trubel zu huldigen und verriet dort mit einem Augenzwinkern, die Kirmes sei für ihn die wahre Königin und sozusagen die Krönung des Jahres.

Die Tradition reicht bis ins Jahr 1949. Beim Treffen 25 Jahre später – zum Silberjubiläum also – erinnerte der ehemalige Verkehrsdirektor Klaus Hilse an die Anfänge in einer Zeit, in der in Soest die Spuren des Krieges noch deutlich sichtbar waren. Die Zusammenkunft sei damals eingeführt worden, so Hilse im November 1974, „um etwas für den Wiederaufbau der Stadt zu tun“. Als Beispiel, vor welchen Aufgaben die Soester seinerzeit standen, führte er an, dass fünf Jahre nach dem Krieg damals noch in der Privatwohnung von Heinz Husemeyer das Wiedererstarken des Soester Bahnhofes verhandelt worden sei. Die Menschen schauten wieder nach vorne. Die Soester wollten unbeschwert Kirmes feiern. 

Aus diesem Grund schlossen sich vor fünfzig Jahren den Stammgästen aus Rat, Verwaltung und Militär so bekannte Leute wie der Landesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Diether Deneke, sowie Regierungspräsident Fritz Ziegler an. Nach einem kurzen Imbiss zog der Tross bei bestem Wetter Richtung Pferdemarkt, wo es für den Minister wenig zu tun gab, denn Kalt- oder Warmblüter standen dort kaum noch. Von diesem silbernen Jubiläumsbummel ist außerdem überliefert, dass der Minister lieber mit beiden Beinen fest auf dem Pflaster stehen wollte, statt eine Runde im „Polypen“ am Rathaus zu drehen, beim schnellen Fliegen werde ihm mulmig zumute, hieß es. Doch im Blauen Saal soll er ordentlich Spaß gehabt haben, als er nämlich gekonnt die Bayernkapelle dirigierte und der stellvertretende Bürgermeister Josef Koch zum Umtrunk bat. 

Diether Deneke nahm sogar eine kleine Erinnerung vom Tag des Landvolks – wie der zweite Kirmes-Tag einmal hieß – mit nach Hause. Bei einer Verlosung, die der Schausteller und Schnelldichter Helmut Seibert mit viel Humor aufzog, bekam er einen Mini-Traktor. Fritz Ziegler ging dagegen weitgehend leer aus, einen Sachpreis nahm er nicht entgegen. Für ihn gab es lediglich ein Kompliment. Denn als er zum Taktstock griff und den Musikern das Tempo vorgab, staunte das Publikum, und eine Zuhörerin rief: „Der Mann hat Rhythmus.“ Ein schönes Lob für ihn und vielleicht noch mehr wert als jeder Hauptgewinn mit freier Auswahl.

Heyke Köppelmann

Publiziert am:

6.11.24